Es gilt das geschriebene und das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Stadträtinnen, sehr geehrte Stadträte,
liebe Ortsvorsteher und Vertreter der Presse,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
liebe Gäste der heutigen Sitzung zur Einbringung des Haushalts 2020,
es ist wieder einmal soweit:
das Jahresende steht vor der Tür und damit für den städtischen Haushalt auch schon das nächste Jahr direkt bevor. So hatte ich meine letzte Haushaltsrede begonnen.
Schon daran, dass wir uns zum Zeitpunkt der Einbringung des Haushalts bereits im neuen Jahr befinden kann man erkennen, dass irgendetwas nicht stimmt. Insbesondere wenn man weiß, und darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen, dass dieser späte Zeitpunkt nicht durch die Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung verschuldet ist. Im Gegenteil: Die Verantwortlichen Mitarbeiter*innen in der Kämmerei, allen voran Frau Dreher und Herr Pawlak, haben in den letzten Wochen und Monaten mehr als aufopferungsvoll dafür gearbeitet, einen Haushaltsplanentwurf auf die Beine zu stellen. Dafür gilt Ihnen mein großes Lob und großer Dank!
Auch für die Zahlen, die dieses Werk nun ausweist, können die Mitarbeiter*innen der Kämmerei nichts. Auch die zuarbeitenden Mitarbeiter*innen aus den Fachbereichen und Sachgebieten können nur bedingt etwas für die Zahlen, wie wir sie nun schwarz auf weiß vorliegen haben.
„Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.“
Quellen schreiben diesen Spruch dem Dichter und Karikaturisten Wilhelm Busch zu. In welchem Zusammenhang kann ich Ihnen leider nicht sagen. Aber vielleicht ist auch Ihnen dieser Spruch in den letzten Jahren ab und zu mal durch den Kopf gegangen.
Nehmen wir zum Beispiel die Entscheidungen rund um das Michelberg-Gymnasium, die uns in den letzten Monaten und Jahren beschäftigt haben und immer wieder die Zeitung füllen. Hier hatte sicher so mancher bei den Entscheidungen 2013 oder 2014 gedacht, dass es anders kommt als es nun gekommen ist.
Man kann aber auch nur bis in die Jahre 2015, 2016 oder 2017 zurückgehen. Auch hier wurden Beschlüsse gefasst und Entscheidungen getroffen, bei denen man sicher nicht daran gedacht hat, dass es am Ende so kommt.
Oder auch die Vorgehensweise in der Aufarbeitung der ganzen Misere, bei der sicher der eine oder die andere auch nicht daran gedacht hat was sich aus so mancher Äußerung dann im weiteren Verlauf ergibt. Ich nehme mich selbst da nicht aus.
Aber eines haben all diese Dinge gemeinsam: Sie liegen in der Vergangenheit und prägen unsere Gegenwart, aber darüber hinaus auch unsere Zukunft bzw. die unserer Stadt. Und die Auswirkungen sind gravierend.
Im vorläufigen Jahresabschluss zum 31.12.2018 sah das alles noch viel freundlicher aus und so manche Entscheidung, für die Gemeinderat und Stadtverwaltung heute gescholten werden, wie der Steg am Neuen Rathaus, sind im Lichte dieser Finanzen getroffen worden. Warum erwähne ich das? Weil wir nach diesem Abschluss zum damaligen Zeitpunkt im Kernhaushalt einen Schuldenstand von ca. 17,3 Mio. Euro hatten und liquide Mittel von ca. 17,9 Mio. Euro. Das waren weniger Schulden als in früheren Finanzplanungen prognostiziert und ein höherer Stand bei den liquiden Mitteln als geplant. Zugegebenermaßen hat das zum Teil auch mit der Umstellung des Haushalts zu tun – aber nicht nur.
Aus dem Sommer 2018 hatten wir die schlechten Nachrichten zum NWT-Bereich des MiGy mit ins Jahr 2019 genommen und erste Schätzungen gingen von vielleicht drei Millionen Euro aus, die man benötigen würde, um diese Schäden zu beheben. Ja, das war erst zum Jahreswechsel 2018/2019. So mancher möchte meinen, das würde schon viel länger zurückliegen. Im Jahr 2019 entwickelte sich aber das MiGy-Thema immer mehr zum Horrorszenario für die Stadt und damit auch die städtischen Finanzen.
Und heute? Heute stehen wir da mit dem Schreiben des Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) zu den Zahlen aus unserem Haushaltsplanentwurf, die wir Mitte Dezember in unserer Verzweiflung dort vorgelegt hatten. Zwei verwaltungsinterne Streichrunden gingen diesem Zahlenwerk schon voraus. Aber auch wir wissen wie ein genehmigungsfähiger Haushalt auszusehen hat und das, was wir da erarbeitet hatten, war alles andere als ein genehmigungsfähiger Haushalt. Leider hat auch das RPS uns hier keine anderen Gesichtspunkte oder konkreten Lösungsansätze aufzeigen können.
Was bedeutet so eine Haushaltslage nun?
Das bedeutet, dass kein Stein auf dem anderen bleiben kann. Alles muss auf den Prüfstand, was sich seit der letzten großen Konsolidierungsrunde in etwas besseren Jahren vielleicht wieder „eingeschlichen“ hat. Abgaben und Gebühren müssen angeschaut und angepasst werden, Freiwilligkeitsleistungen auf den Prüfstand und bei allen Aufgaben der Stadt – auch den Pflichtaufgaben – eine Aufgabenkritik mit Blick auf die notwendige „Qualität“ bei der Aufgabenerfüllung her. Das wird schmerzhaft werden – sehr schmerzhaft an vielen Stellen.
Wir haben aus diesem Grund die Mitglieder des Gemeinderats bereits zu einer Klausurtagung zur Haushaltskonsolidierung eingeladen, bei der wir diesen Aufgaben nachgehen müssen.
Aber so wie es aussieht, wird das nicht ausreichen. Die Aussagen des Regierungspräsidiums von diesem Montag sind eindeutig: Weder eine Sanierung noch eine der Neubauvarianten ist finanziell auch nur ansatzweise darstellbar. Und mehr noch: selbst die Kosten für die mobilen Unterrichtseinheiten können im Ergebnishaushalt nicht erwirtschaftet werden – dort klafft jedes Jahr in den kommenden Jahren ein dickes Minus.
Seit kurz vor Weihnachten wissen wir nun, dass sich die Gemeinden aus dem Oberen Filstal Gedanken über ein Gymnasium in Deggingen machen, welches für die Schüler*innen des Oberen Filstals installiert werden soll. Uns freut es natürlich, dass diese Gemeinden nun offensichtlich ihre (Mit-)Verantwortung für diese Schüler*innen erkannt haben und hier eine Lösung suchen. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, dass ich mir gewünscht hätte, man hätte diese Mitverantwortung auch bei einem Gymnasium in Geislingen gesehen, aber mehr will ich da nicht mehr dazu sagen.
Was heißt das nun aber für uns? Wenn diese Schüler*innen nicht mehr in Geislingen das Gymnasium besuchen, dann ist auch fraglich, ob wir hier weiterhin ein zweites Gymnasium benötigen. Das muss man ganz klar sagen.
Und wenn man unsere Finanzen anschaut, dann muss man sich auch die Frage stellen, ob sich die Stadt Geislingen jegliche Möglichkeiten für die Zukunft verbauen und sich nach allen Regeln der Kunst regelrecht kasteien muss, um den Schüler*innen aus dem Umland die Möglichkeit zu geben, in Geislingen auf das Gymnasium zu gehen. Bei genauerer Betrachtungsweise muss man sagen, dass dies wahrscheinlich einfach gar nicht mehr leistbar ist.
Aus diesem Grund sage ich heute ganz deutlich: Wir müssen uns mit dieser neuen Situation und den sich daraus ergebenden Chancen und Risiken für unsere Stadt ernsthaft auseinandersetzen und das muss zeitnah geschehen. In Zusammenarbeit mit Schule, Kultusministerium, Regierungspräsidium, Gemeinderat und den Umlandgemeinden muss an Lösungen gearbeitet werden, die zunächst einmal die Versorgung der Schüler*innen – aus Geislingen aber auch den Umlandgemeinden – im Auge haben muss. Es bleibt hier nicht viel Zeit.
Um das Thema MiGy hier abzuschließen und abzurunden noch ein paar weitere Sätze dazu. Dieses Thema hat in den letzten Wochen und Monaten unser Gremium gespalten und auch das Verhältnis zwischen Gemeinderat und Verwaltung/Oberbürgermeister hat mehr als gelitten. Durch das was dann in die Öffentlichkeit getragen wurde, ist mit Sicherheit eines nicht erreicht worden: Eine gut informierte Öffentlichkeit, die sich nahezu einig ist in ihren Einschätzungen zum MiGy und den Vorgängen dazu. Das können wir nicht mehr rückgängig machen. Dieses Kind ist im Brunnen.
Mit Blick auf die uns bevorstehenden Aufgaben kann ich aber nur dazu aufrufen, hier wieder zu einer anderen Arbeitsweise zurückzufinden. Die Beratungen und Beschlüsse, die uns bevorstehen, sind auch so schwer genug. Und dann spreche ich nicht davon einen „Schmusekurs“ fahren zu wollen oder andere Dinge, die hier in den vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit geäußert wurden. Wenn jemand meine Meinung dazu hören will: Ich hatte hier in den vergangenen Jahren nie das Gefühl, dass hier immer alles weichgespült war. Dazu sind mir zu viele Sitzungen in Erinnerung, die eine ganz andere Sprache gesprochen haben. Allerdings ist man sich in der Regel immer mit entsprechendem Respekt begegnet – oder für diejenigen, die beim Neujahrsempfang in St. Johannes mit dabei waren – zumindest mit Wertschätzung. Das ist in den vergangenen Wochen an vielen Stellen verloren gegangen.
Wer von mir nun fordert, ich solle mir dazu etwas einfallen lassen, wie man das wieder in Ordnung bringt, den muss ich enttäuschen. Mir fällt dazu leider auch nichts ein – wie mir zu manchen Äußerungen so manchmal auch nichts mehr eingefallen ist. Ich denke in erster Linie sollte da mal jeder für sich selbst noch einmal reflektieren, was gesagt und getan wurde und wie das wirkt bzw. was dies auslöst oder ausgelöst hat. Für mich persönlich sind hier viele Dinge in die Brüche gegangen, die auch nicht mehr so leicht zu kitten sind.
In der Vergangenheit habe ich in meinen Haushaltsreden auch immer wieder das Ehrenamt hervorgehoben, welches für mich in Geislingen und seinen Stadtbezirken extrem stark ausgeprägt ist. Wir haben sehr viele Einwohner*innen, die sich stark engagieren. Dieses Ehrenamt wird von der Stadt auch so gut wie möglich gefördert und unterstützt. Ich hoffe, dass in den kommenden Jahren dieses Engagement nicht zu sehr darunter leiden wird, wenn nun der Gürtel mal wieder enger geschnallt werden muss – und das vermutlich nicht nur um ein Loch.
Nicht nur deshalb möchte ich es auch in diesem Jahr nicht versäumen, mich bei all den Menschen zu bedanken, die sich in Vereinen, Kirchen und anderen Organisationen engagieren – für unsere Einwohner*innen und unsere Stadt!
Aber auch die vielen Hauptamtlichen sollen nicht unerwähnt bleiben. Auch hier gibt es sehr viele, die unsere Stadt mit zu dem machen, was sie ist: Eine liebenswerte Kleinstadt mitten in der Schwäbischen Alb! Besonders will ich hier an der Stelle meine Mitarbeiter*innen nennen. Sie haben mir in diesem Jahr oftmals das Gefühl gegeben zu wissen, wofür man sich hier zerreißt. Ich mache das als Oberbürgermeister, aber meine Mitarbeiter*innen machen das ebenfalls teils weit über das normale Maß hinaus. Dafür gilt Ihnen allen mein herzlicher Dank!
Mit so einem Team ist mir trotz der riesigen Herausforderungen nicht ganz bange vor der Zukunft. Es wird weitergehen. Wir wissen noch nicht genau wie, aber wir werden die Aufgaben gemeinsam angehen. Hoffentlich dann auch wieder als Team mit dem Gemeinderat an unserer Seite.
Auch dem Personalrat möchte ich noch Danke sagen. Der Wechsel nach der „Ära“ Ebert ist aus meiner Sicht gut geglückt. Die Zusammenarbeit hat ohne Brüche ihre Fortsetzung gefunden. In den kommenden Jahren wird es für das neue Führungstrio mit Sicherheit auch alles andere als leicht werden. Auf einer vertrauensvollen Ebene werden wir hier aber sicher auch in Zukunft eine gute Zusammenarbeit haben.
Last but not least geht ein spezieller Dank natürlich bei der Haushaltseinbringung an die Kämmerei und allen voran an Frau Dreher und Herrn Pawlak. Ich hatte Sie beide schon am Anfang erwähnt, aber ich denke in diesem Jahr ist das nicht genug. Sie können sich sicher sein, dass ich gesehen habe, mit welchem Aufwand Sie versucht haben, das Zahlenwerk in die entsprechende Form zu bringen. Dass dies trotz Ihrer großen Erfahrung und Routine nicht gelungen ist, liegt nicht an Ihnen. Nicht nur die schlaflosen Nächte, die auch Sie deswegen verbracht haben, rechne zumindest ich Ihnen hoch an. Ich wünsche Ihnen und uns allen einen etwas weniger steinigen Weg bei der Haushaltsaufstellung für das Jahr 2021. Nun gilt es aber zunächst einmal die aktuellen Hürden in Angriff zu nehmen!
Ein Stadtrat aus unseren Reihen hat zu mir einmal gesagt, er würde in meiner Haushaltsrede die „Visionen“ vermissen. Ich möchte jetzt aber nicht auf das Zitat eingehen, welches der Genosse dieses Stadtrats einst ausgesprochen hat. Ich möchte vielmehr nur dies dazu sagen: Für Visionen blieb mir in meiner bisherigen Amtszeit leider kein finanzieller Spielraum. Dieser Spielraum wurde durch die Visionen genommen, die man wohl in den Jahren 2013/2014 mit Blick auf die MiGy-Sanierung in Verwaltungsspitze und Gemeinderat hatte. Jetzt haben wir nicht einmal mehr „keinen finanziellen Spielraum“. Wir haben gar keinen finanziellen Spielraum mehr. Meine Visionen werde ich mir also wohl auch in den nächsten Jahren weiterhin abschminken müssen.
Trotzdem habe ich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufgegeben - für unsere Stadt und ihre Menschen – für Geislingen an der Steige!
Frank Dehmer
Oberbürgermeister
im Januar 2020